In der Bankfestung Rocca Salimbeni, einem mittelalterlichen Kastell im Herzen der toskanischen Stadt Siena, ist seit drei Jahren der Staat Herr im Haus. Die Sienesen haben in ihrem 1472 gegründeten Geldhaus Monte dei Paschi nichts mehr zu melden. Auch um die Trutzburg herum änderte sich viel. Das Rathaus an der schönen Piazza del Campo wurde vor zwei Jahren erstmals von einer Rechtskoalition erobert. Schräg gegenüber verlor die Stiftung Monte dei Paschi, über welche die rote Stadtregierung die skandalgeschüttelte Bank beherrscht hatte, ihre angestammte Rolle als Melkkuh der Stadt.
Nun steht der ältesten Bank der Welt die nächste Zäsur bevor. Italiens Finanzminister Roberto Gualtieri hat ein Dekret zur Privatisierung des Geldinstituts unterschrieben. Der Staat war 2017 mit 68,5 Prozent für 5,4 Milliarden Euro beim Monte dei Paschi eingestiegen und hatte die ehemals drittgrößte Bank Italiens vor dem Zusammenbruch bewahrt. Der mit der EU-Kommission vereinbarte Rettungsplan sieht vor, dass er seinen Anteil bis spätestens Ende 2021 wieder abstößt. Doch Gualtieri hat allen Grund, den Rückzug des Staates schnell voranzutreiben. Der Sozialdemokrat sucht nach einem Käufer, der ihm das Institut bis Dezember abnimmt. In der Regierung stößt der Minister mit seinem Ansinnen auf heftigen Widerstand. Die populistische Fünf-Sterne-Partei, der große Koalitionspartner von Gualtieris PD, will die Bank nicht aus der Hand geben.
Ohnehin liegt vor Gualtieri ein schwerer Hindernislauf. Monte dei Paschi (MPS) war nach der überteuerten Übernahme der Regionalbank Antonveneta im Jahr 2007 in eine existenzbedrohende Schieflage geraten. Die Steuerzahler retteten das Geldhaus mit Milliardenkrediten. 2011 flog ein Riesenskandal um Bilanzfälschungen und Korruption auf. Die ehemaligen Bankspitzen sind inzwischen erstinstanzlich zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Nach sechs Jahren Überlebenskampf musste 2017 der Staat die taumelnde Bank übernehmen. Nun gestaltet sich der Ausstieg des Staates schwierig.
Einen wichtigen Durchbruch hatte das römische Finanzministerium Anfang des Monats in den Verhandlungen mit der europäischen Bankenaufsicht erzielt. MPS erhielt die Erlaubnis, sich von einem Teil seiner notleidenden Kredite zu befreien. Um für potenzielle Käufer attraktiv zu werden, darf die Bank 8,1 Milliarden Euro ihrer Problemkredite an die staatliche Auffanggesellschaft Amco übertragen. Der Anteil der notleidenden Darlehen sinkt so von gegenwärtig zwölf Prozent auf vier Prozent, weit unter den Branchendurchschnitt. Der Haken dabei: Die Frankfurter Aufseher verlangen, dass MPS bis 31. Dezember eine Kapitallücke von 1,1 Milliarden Euro auffüllt, die mit der Abspaltung der Problemkredite in die Bankbilanz gerissen wird. Sich am Finanzmarkt Geld für eine Kapitalerhöhung zu besorgen, dürfte für die Krisenbank aber aussichtslos sein. Das setzt Gualtieri unter Druck: Er muss schleunigst einen Partner für den Monte dei Paschi finden, der die Kapitaldecke der Bank aufpolstert und so die angestrebte Privatisierung rettet.
Heiße Anwärter gibt es nicht. Gualtieri soll bei der Mailänder Volksbank BPM und beim Mailänder Finanzkonzern Unicredit nachgefragt haben. Beide teilten mit, sie seien nicht an einem Einstieg interessiert. Doch das Thema Bankfusionen ist auf der Tagesordnung zurück. Dafür gesorgt hat Ende Juli der italienische Marktführer Banca Intesa Sanpaolo mit der feindlichen Übernahme von UBI Banca, der bisherigen Nummer drei. In der Branche sieht man das als Auftakt zu einer neuen Konsolidierungswelle auf dem italienischen Markt.
Nur macht die desolate Lage des Monte dei Paschi potenziellen Interessenten das Zugreifen nicht leicht. Der schwerste Brocken: Nach der skandalträchtigen Vergangenheit drohen MPS zehn Milliarden Euro Schadenersatzforderungen. Zudem warf die Corona-Rezession die Bank in der Sanierung zurück. Im ersten Halbjahr erlitt sie eine Milliarde Euro Verlust durch Sonderfaktoren. Bis 2022 rechnet man nun in Siena mit roten Zahlen. Noch dazu wurde im Frühjahr der langjährige Sanierer Marco Morelli abgelöst. Nach dem Wechsel an der Spitze der staatlich kontrollierten Bank verließen auf der Stelle auch die Nummer zwei und die Nummer drei das Haus.
Die größte Gefahr für Gualtieri lauert aber in der Regierung. Premier Giuseppe Conte macht keine Anstalten, das Privatisierungsdekret abzuzeichnen. Das überrascht nicht, denn die ihm nahestehende Koalitionspartei Fünf Sterne möchte den Rückzug des Staates in Siena verhindern. "Es darf keinen Ausverkauf geben", sagte die Fünf-Sterne-Abgeordnete Carla Ruocco, die der Parlamentskommission für die Banken vorsitzt. Sie schlägt vor, die MPS-Filialen mit der kürzlich vom Staat geretteten Volksbank Bari zusammenzulegen. Den Rest will sie mit der Auffanggesellschaft Amco verschmelzen und in eine Bad Bank verwandeln, die der ganzen Branche ihre alten und neuen Problemkredite abnimmt. Gegen die Staatsnostalgie hat der Chef der römischen Zentralbank, Ignazio Visco, das Wort ergriffen. In einer Videokonferenz mit den Chefs der italienischen Banken erinnerte Visco am Mittwoch daran, dass "die staatliche Führung von Banken nicht selten von ausgeprägter Unwirtschaftlichkeit gekennzeichnet war". Im Übrigen würde ein effizienter Staat der Wirtschaft sowieso mehr helfen als die Unterstützung durch eine große Staatsbank.
Regierungschef Conte hält sich wie üblich aus dem Koalitionszwist heraus. Bis Sonntag, wenn in acht Regionen Italiens - darunter auch in der Toskana - Wahlen stattfinden, wird er seinen Mitstreitern von den Fünf Sternen sicher nicht zurückpfeifen.
Author: Jacqueline Morris
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